Samstag, 30. Mai 2009

Der Fischer und seine Frau

kennt Ihr dieses Märchen? Es wird in verschiedenen Varianten erzählt. Der Sinn ist immer gleich, hier mal meine Variante:
Ein Fischer lebte mit seiner Frau in einer kleinen Hütte am Meer. Sie waren arm, die Hütte war klein, aber sie hatten immer genug zum Leben - und sie hatten sich. Eines frühen Morgens fuhr der Fischer mit dem Boot aufs Meer. Seit einiger Zeit blieben die Fische aus. Doch er hoffte jeden Tag auf einen guten Fang. Aber auch an jenem Tag blieb sein Netz leer.
Er warf sein Netz aber immer wieder aus - ohne Erfolg. Längst wäre die Zeit zur Rückkehr gewesen, aber was sollte er daheim? Dort erwartete ihn seine Frau und würde ihn fragen, wie der Fang war. Und er würde wieder antworten müssen, daß er nichts gefangen hat. Wieder und wieder sagte er sich: “Nur noch dies eine Mal!”, warf sein Netz, zog es leer ins Boot - und warf es erneut.
Als er aber dies eine Allerallerallerletztemal sein Netz warf und es schon fast ganz wieder ins Boot gezogen hatte, sah er in seinen letzten Maschen einen Fisch. Dieser Fisch glänzte golden; der Fischer hatte noch nie einen solchen gesehen. Dabei kannte er alle Fischarten im Meer. Der Fisch war weder groß noch klein, gerade genug für eine Mahlzeit. Oder sollte er ihn auf dem Markt verkaufen? Wenn der Fischer ihn nicht kennt, wer sollte ihn dann kennen? Vielleicht würde ja Irgendwer viel Geld für ihn bezahlen? Vielleicht sollte er ihn ja lebendig in einem Eimer zum Markt tragen?
Während der Fischer all dies überlegte, hatte er den Fisch in sein Boot gezogen. Der schnappte gar jämmerlich nach Luft und fing an zu sprechen: “Fischer, ich bin kein gewöhnlicher Fisch. Wenn Du mich ins Wasser zurückläßt, werde ich Dir jeden Wunsch erfüllen. Du mußt nur ans Meer gehen und mich rufen. Laß mich frei.” Mehr aus Mitleid als aus Vertrauen in die Versprechungen des Fisches warf der Fischer ihn ins Meer zurück. Der Fisch tauchte wieder auf und sprach: “Du hast mir die Freiheit wiedergegeben. Nenne mir Deinen Wunsch!” Der Fischer mußte nicht lange überlegen. Er wollte nicht wieder mit leeren Händen heimfahren. Er rief: “Mache, daß meine Netze wieder voll sind!” Der Fisch antwortete: “So sei es. Wirf Dein Netz noch einmal aus.”, dann verschwand er in der Tiefe.
Der Fischer warf sein Netz wieder aus. Kaum war es im Wasser strafften sich die Leinen, die das Netz hielten. Das Boot konnte kaum die vielen Fische fassen, die er hineinzog. Er fuhr glücklich nach Hause. Seine Frau freute sich über den guten Fang. Als sie nicht lockerließ zu fragen, erzählte er ihr sein Erlebnis.
Sie schalt ihn: “Du Dummkopf! Der Fisch hätte Dir jeden Wunsch erfüllt und Du gibst Dich mit einem Boot voll Fische zufrieden! Siehst Du nicht, wie alt unsere Hütte ist? Du hättest Dir ein neues Haus wünschen sollen! Geh hin und verlange es von dem Fisch!”
Und so tat der Fischer. Er ging ans Meer, rief den Fisch und verlangte ein neues Haus. Und wirklich: der Fisch erfüllte seinen Wunsch. Als der Fischer wieder heimkam war seine Frau aber immer noch nicht zufrieden: “Du siehst, daß ich mich jeden Tag hier abrackern muß. Geh hin und verlange Diener, die mir die Arbeit abnehmen!”
Und so tat der Fischer. Als der Fischer nach hause kam, keifte seine Frau: “Siehst Du nicht, wie ich herumlaufe? Selbst die Diener lachen über mich! Ich will teure Kleider und eine Kutsche!” Und wieder ging der Fischer ans Meer, rief den Fisch, teilte ihm die neuen Wünsche mit und ging zu seinem Haus zurück. Davor stand eine prächtige vierspännige Kutsche. In den Kleidern, die einer Königin würdig waren, kam ihm seine Frau entgegen und kreischte: “Was soll ich in diesen Kleidern, den Dienern und der Kutsche in einem einfachen Haus? Ich will ein Schloß! Geh!”
Der Fischer ging ans Meer und rief erneut den goldenen Fisch. Aber der kam nicht. Statt dessen wallte das Meer auf und zerschlug das Boot an den Felsen am Strand. Entsetzt kehrte der Fischer heim, aber was mußte er sehen! Seine Frau stand in den alten abgerissenen Kleidern vor dem Haus.
Die Diener waren weg und hatten ihren Lohn eingeklagt, der Gerichtvollzieher lud die schönen Kleider gerade in die Kutsche und fuhr ab und an der Haustür klebte der “Kuckuck”. Der Fischer sah sich ratlos um und bemerkte, daß seine alte Hütte noch dastand. Müde, hungrig und mutlos gingen der Fischer und seine Frau zu Bett, um einem neuen, trostlosen Tag entgegenzuschlafen.
Ähnlich erlebten viele Ostdeutsche das Wunder des goldenen Westens. Nach der Konterrevolution 1989/90 zogen sie in große Wohnungen, kauften schöne Autos, Möbel und Klamotten. Inzwischen sind die Reserven aufgebraucht und sie müssen - als ALG-2-Empfänger - in ihre alten Plattenbauwohnungen zurück. Das Auto ist verrostet und erregt beim TÜV nur noch Heiterkeit.
Und ihnen ist aufgrund der Krise und hohen Arbeitslosigkeit auch jede Möglichkeit genommen, diese Situation wieder zu verbessern - mit 1 Euro pro Stunde wird das nämlich nix.
Das nächste Mal werden wir den goldenen Fisch in die Pfanne hauen, wenn wir ihn an der Angel haben, und genüßlich verspeisen.